Aus dem Boden wachsendes Eis

Tja, gestern war irgendwie ein blöder Tag – Zuerst durfte ich mich medizinisch versorgen lassen und nachher dann ein Fußballspiel angucken. Beides nicht so ganz das, was ich am Tag der Arbeit gerne tun wollte. Schicksal halt.

Dafür fand ich auf Youtube gerade etwas richtig faszinierendes: Aus dem See herauswachsendes Eis. Passiert ist das in Plymouth, Minnesota, am Medicine Lake. Guckt mal:

Es hat einen Moment gedauert, bis ich verstanden hatte, was da passiert. Wasser wird durch enge Röhren (Kapillaren) an die Oberfläche gedrückt. Allerdings herrscht da unten drin nicht nur hoher Druck, sondern auch eine sehr kalte Temperatur. Das Wasser wird also unter 0 Grad gebracht, ohne sich ausdehnen zu können und friert daher nicht. (Wasser hat die geringste Ausdehnung bei etwa 4°C).

Was jetzt passiert ist der gleiche Effekt, wie bei der frierenden Sprudelflasche. Schonmal gemacht? Okay, das geht so: Man nehme eine Flasche kohlensäurehaltiges Mineralwasser und lege sie in eine Gefriertruhe – so ca. 45-60 Minuten lang. Besser eine Glasflasche nehmen und gelegentlich nachgucken, nicht daß das Zeug doch gefriert. Dann nimmt man die wirklich kalte Flasche heraus und öffnet sie möglichst schnell – plötzlich gefriert der Inhalt von unten nach oben und ragt als Eiszapfen aus der Flasche heraus.

Das gleiche passiert nun also hier in Minnesota. Und es sieht einfach mal cool aus.

Mal kurz zur Erklärung: Wenn das Wasser unter 0° kalt wird, friert es normalerweise und bildet Kristalle. Die brauchen aber mehr Platz als das flüssige Wasser, weil Wasser eben eine ganz besondere Eigenschaft hat: Es hat die geringste Ausdehnung bei ziemlich genau 4°C. Das heißt, kälteres und wärmeres Wasser braucht mehr Platz. Das ist ein Widerspruch zu fast allen anderen Stoffen, die Ihr in Physik oder Chemie kennenlernt: Die Faustregel ist eigentlich immer „je warm, desto Volumen – je kälter, desto kleiner“.

Vorhin habe ich geschrieben, daß das Wasser da unten sehr kalt sei – so ganz stimmt das natürlich nicht. Je tiefer man geht, desto wärmer wird es. Im Schnitt etwa 3° pro 100 Metern Tiefe. Das ist der Grund, warum Geothermie funktioniert. Die Wärme kömmt übrigens nicht nur vom Erdkern – sondern auch vom Zerfall radioaktiver Isotope.
Das Wasser ist also zunächst einmal ziemlich warm und drückt deswegen nach oben. Es will sich ja ausdehnen, hat aber keinen Platz. Also drückt es durch winzige Kanäle Richtung Oberfläche. Da passiert jetzt aber wiederum was ganz interessantes: Weiter oben ist die Erde manchmal saukalt und das Wasser wird wieder abgekühlt – physikalisch gesehen gibt es seine Wärme nach draußen ab und verliert Energie. Da es sich jetzt wieder zusammenzieht, müsste es eigentlich wieder zurücksinken. Von Unten drückt aber neues Wasser nach und so schiebt es das kühlere Wasser immer weiter Richtung Erdoberfläche. Dann kühlt es weiter als auf 4°C ab und dehnt sich wieder aus. Voilà – der Effekt wird wieder stärker.

In der Glasflasche (oder eben der Felsenkapillare) kann sich das Wasser aber nicht ausdehnen und bleibt daher flüssig, baut aber auch Druck auf, weswegen es überhaupt noch weiter nach oben gedrückt wird.

(Nebenbei – das gibt’s auch mit heißem Wasser, wenn der Siedepunkt durch Druck erhöht wird. Da nennt man es Geysir. Im wirklichen Leben benutzt man den Effekt im Druckkochtopf…).

Verschwindet nun plötzlich der Druck, kann das Wasser sofort in den der Temperatur angemessenen Aggregatszustand wechseln. Ihr erinnert Euch, was das war? Genau: fest – flüssig – gasförmig. Andere gibt’s nicht. Wasser ist übrigens die einzige Substanz, die auf der Erde in natürlicher Form in allen drei Aggregatszuständen vorkommt. Und der kristalline Zustand – das sind die Eiszapfen, die aus dem Boden wchsen.

Noch Fragen? Gut.